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Franz Xaver Wertheim wurde Anfang 1814 in Krems an der Donau als Sohn eines Kaufmanns geboren. Er starb am 3. April 1883 als Freiherr von Wertheim in seinem eigenen Palais am Schwarzenbergplatz in Wien. Dazwischen liegt eine der schillerndsten und atemberaubendsten Karrieren der österreichischen Industriegeschichte.

Wertheim begann als einfacher Kaufmann in Krems und brachte es als Industrieller bis zum adeligen Freiherrenstand und zur Würde eines kaiserlichen Truchsess, er war Präsident des niederösterreichischen Gewerbevereins, Vizepräsident der niederösterreichischen Handels- und Gewerbekammer und Gemeinderat in Wien, Träger zahlreicher in- und ausländischer Orden und Auszeichnungen. 1883 hinterließ er ein Vermögen von ca. 5 Millionen Gulden (ungefähr 70 Millionen Euro). Damit war er einer der reichsten Männer Wiens.

Aber der Reihe nach ....

Franz Wertheim Portrait

In den meisten Biographien wird Wertheims Geburtsdatum mit dem 12. April 1814 angegeben, auch auf seinem Grabmal am Wiener Zentralfriedhof steht dieses Datum geschrieben. Ein Blick ins Taufbuch der Pfarre Krems enthüllt jedoch, dass es sich dabei um das Taufdatum des Franz Xaver Wertheim handelt. Sein wahres Geburtsdatum ist also unbekannt. Dazu muss man aber anmerken, dass es damals durchaus üblich war, Geburts- und Taufdatum gleichzusetzen.

1813 Wertheim Eltern Trauung
1814 Wertheim Taufbuch Krems

Sein Vater Franz, ein gelernter Schneider, kam um 1812 (wahrscheinlich aus Bayern) nach Krems und war zunächst Aufsichtsbeamter im k.k. Tabak- und Stempelamt Krems. 1813 heiratete er die Witwe Barbara Albert (geb. Reitmayer) und erwarb eine Kleiderhandlung im Haus Krems Nr. 296 (später Nr. 281, heute Untere Landstraße 17). Die Wohnadresse war das Haus Krems Nr. 208 am Pfarrplatz, in dem Franz Xaver das Licht der Welt erblickte. Das Paar bekam nach Franz zwei weitere Kinder: Katharina und Karl Magnus, beide starben jedoch noch im Säuglingsalter (1815 und 1817). 1816 wurde Franz senior das Bürgerrecht verliehen, im selben Jahr kaufte er eine Schneiderwerkstatt in Krems.

Das Trauungsbuch gibt auch Auskunft über Franz Wertheims Großeltern: Michael Wertheim war demzufolge Eisenhändler in Bayern, seine Großmutter Elisabeth stammte aus Württemberg. Seine Großeltern mütterlicherseits waren der Müllermeister Matthias Reitmayer aus Immenstadt in Bayern und dessen Frau Franziska.

1907 Krems Ansicht Hof Untere Landstraße
1907 Krems Ansicht Pfarrplatz

Franz Wertheim besuchte die Volksschule in Krems und machte danach eine kaufmännische Ausbildung in Wien. Welcher Art diese Ausbildung war, darüber sind sich die Autoren der diversen Biografien und Nachrufe uneinig. Die Meinungen reichen von einer Handelslehre über ein Studium der Handelswissenschaften bis zum Besuch des k.k. polytechnischen Institutes. Manche vermuten auch eine Schlosserlehre in Kombination mit einer kaufmännischen Ausbildung.

Zieht man die doch eher bescheidenen Familienverhältnisse in Betracht, dürfte die einfache Handelslehre die wahrscheinlichste Variante sein. Auch Wertheims mangelndes Allgemeinwissen, das später einigen Stoff für Anekdoten lieferte, spricht gegen eine höhere Schulbildung. Belege dafür gibt es allerdings keine.

Die prägende und entscheidende Zeit für seine Entwicklung und die Grundlage für seine spätere Karriere folgte nach der Ausbildung in Wien: Franz Wertheim verbrachte einige Jahre auf Wanderschaft in Deutschland, Frankreich und England (vielleicht auch Italien). Leider sind über seine Wanderjahre keine Einzelheiten überliefert. Wir wissen also nicht, wo und wie genau sich Wertheim sein umfassendes Fachwissen, das er später unter Beweis stellte, angeeignet hat. Fest steht, dass er 1837/38 als äußerst selbstbewusster und tatkräftiger junger Mann nach Krems zurückkehrte.

Von seinem Vater erhielt er "ein Lager von Kurzwaren (Nürnbergerwaren) zur Eröffnung eines Handelsgeschäftes". Und damit beginnt die Erfolgsgeschichte des Franz Wertheim.

1838 Wertheim Geschäftseröffnung
1841 Wertheim Anzeige Kaufmann

"Nürnbergerwaren" ist ein Sammelbegriff für allerlei Kunsthandwerks-, Gebrauchs- und Haushaltsartikel, der seine Wurzeln im Mittelalter hat, als Händler aus Nürnberg (und Augsburg) mit den Erzeugnissen der dortigen Manufakturen den Fernhandel in Europa dominierten. Typische Artikel für solche Geschäfte waren beispielsweise Musikinstrumente, Zeichengeräte, Messinstrumente, Drahterzeugnisse, Metallfolien, Glasspiegel, Spielzeug, Bleistifte, Papier, Messer, Nadeln, Nägel, Stifte sowie Werkzeug, Beschläge und sonstige Kleineisenteile.

Franz Wertheim junior eröffnete sein Geschäft im Jahr 1838 im Haus Nr. 314 (in der heutigen "Unteren Landstrasse") in Krems. Der Erfolg stellt sich umgehend ein, denn noch im selben Jahr wird Wertheim erstmals in einer Wiener Zeitung erwähnt, und zwar im Volksblatt "Der Humorist":

"(Wertheims Nürnberger-Waren-Handlung) ist mit einer solchen Eleganz eingerichtet, daß sie auf dem Graben oder am Kohlmarkte in Wien stehen dürfte. Der Inhaber derselben, ein junger, unternehmender Mann, hat von seinen Reisen einen guten Geschmack aus London, Paris und Mailand zurückgebracht, und seine Bemühungen werden durch reichlichen Absatz reichlich belohnt."

Schon die erste Erwähnung Wertheims deutet auf ein Talent hin, das für seine Karriere von essenzieller Bedeutung sein wird: Wertheims Sinn für Präsentation (und auch Selbstdarstellung).

Schon nach kurzer Zeit konnte Franz Wertheim sein Geschäft vergrößern und übersiedelte ins Rathaus Krems, eine der besten Adressen der Stadt.

1842 erfolgte der nächste Schritt.

Wie schon oben erwähnt, war auch Werkzeug, insbesondere Tischlerwerkzeug, Teil des Sortiments in Wertheims Geschäft. Mit Sicherheit handelte es sich dabei um englische Stemm- und Hobeleisen sowie um Hobel und die berühmten Hobeleisen aus den Fabriken des Anton Gruber in Wien und Neustift bei Scheibbs. Wertheim erkannte die Qualität der Werkzeuge Grubers, und er erkannte auch das wirtschaftliche Potential der Werkzeugherstellung.

Als Anton Gruber im März 1842 überraschend stirbt und der Weiterbestand seier Firma unsicher ist, da es in der Familie keinen Nachfolger gibt, handelt Franz Wertheim ohne zu zögern: Zusammen mit dem Zeugschmied Georg Gleischner aus Senftenberg bei Scheibbs, der angeblich bei Gruber Werkführer war, erwirbt er im September 1842 ein Privileg auf eine "Verbesserung in der Erzeugung von Hobeleisen" und eröffnet damit umgehend eine Fabrik in Rehberg bei Krems.

1842 Wertheim Privileg Gleischner
1842 Wertheim Gleischner Gründung Fabrik

In großformatigen Anzeigen in der Wiener Zeitung geben Wertheim und Gleischner die Gründung ihrer Fabrik bekannt, mit deutlichem Bezug auf Gruber.

2 Dinge fallen bei dieser Anzeige besonders auf: Einerseits warnt Wertheim vor Nachahmungen der Gruber'schen Hobeleisen (ganz so, wie es Anton Gruber selbst schon in den Jahren zuvor getan hat), andererseits aber sieht das Fabrikszeichen, das auf der Abbildung des Hobeleisens in der Anzeige zu erkennen ist, wie eine Kopie von Grubers Zeichen aus.

Wertheim sieht sich durch die Zusammenarbeit mit Gleischner offensichtlich bereits als legitimer Nachfolger Grubers.

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Doch schon 3 Monate später erweisen sich die Gerüchte über ein Ende von Grubers Fabrik als falsch: Im Februar 1843 kauft Michael Holzer, nach eigener Angabe ebenfalls ehemaliger Werkmeister bei Anton Gruber, sowohl die Fabrik in Wien als auch das Hammerwerk in Neustift bei Scheibbs von Grubers Erben, inklusive des wertvollen Privilegiums auf die Gruber'schen Hobeleisen.

1842 Wertheim Gleischner Fabrikzeichen
Gruber Fabrikzeichen

Nur einen Monat danach, im März 1843, betritt ein weiterer Konkurrent die Bühne: Joseph Herrmann, Grubers Werkmeister des Hammerwerks in Neustift, hat in Miesenbach, einem Ortsteil von Neustift bei Scheibbs, ein eigenes Hammerwerk gekauft und ein eigenes Privilegium auf eine verbesserte Herstellung von Hobeleisen erhalten. Und der gelernte Schmied Herrmann ist ein Meister seines Faches.

Franz Wertheim ändert angesichts der plötzlichen Konkurrenz seine Taktik.